Vielen Menschen ist die Entstehungsgeschichte „der“ Pride bekannt.
In 1969 kam es bei einer Polizei-Razzia in einer Kneipe mit dem Namen „Stonewall Inn“ zu Ausschreitungen. Genauer gesagt: die Besuchenden der Kneipe in der New Yorker Christopher Street, die übrigens keine Schankerlaubnis besaß, wehrten sich gegen die Polizei. Wichtig ist, dass queere Menschen die Schikanen und Ungerechtigkeit endlich nicht mehr hinnahmen. Dass sie sich wehrten. Stonewall war nicht nur ein „Riot“ — es war eine Rebellion, ein Protest, ein ziviler Ungehorsam für Bürgerrechte.
Die „Schwulenbewegung“ bekam endlich Aufmerksamkeit und wurde mit ihren Anliegen gehört. Doch schon sehr bald wendete sich das Blatt zum Schlechten für trans Menschen: Schon 1973 durften „Transvestiten“ und Dragqueens nicht mehr beim Pride March mitmachen. Die GAA, die Gay Activists Alliance, schloss trans Menschen explizit aus. Die Begründung war einfach: Es sei nicht vermittelbar und werfe ein schlechtes Licht auf die „Schwulenbewegung“. In lesbischen und feministischen Kreisen wurde Feminismus trans*exklusiv definiert. In dieser Hinsicht wurden trans Menschen also von dem Rest der Community herzlich im Stich gelassen, viele werten diese Entwicklung als einen Verrat.
Mensch übersah geflissentlich, dass sich biologistische Argumentation zu eigen gemacht und damit die patriarchale Konstruktion von Geschlechtlichkeit reproduziert wurde. In der Folge wurden trans Menschen für die nächsten 40 Jahre der Pathologisierung und Marginalinsierung überlassen.
Uns ist das Wirken der transfeindlichen Ideologie nur zu gut bekannt: Es wird eine vermeintlich wissenschaftliche Einteilung in zwei sich gegenseitig ausschließende Geschlechter konstruiert und diesen Geschlechtern dann unterschiedliche Eigenschaften, Verhaltensweisen und sogar Fähigkeiten zugeschrieben.
Queere Menschen, und dabei insbesondere trans* und inter* Menschen, sind Zielscheibe der patriarchalen Vorstellungen, die von einem verkürzten Wissenschaftsbild des 18. und 19. Jahrhunderts genährt wurden. Das selbe Weltbild, das auch schon zu Schädelvermessern und Rassentheorien führte.
Menschen wie wir, die durch ihre reine Existenz und Sichtbarkeit diese starren Geschlechterrollen und die Bedeutung von vage auf Biologie basierten gesellschaftlichen Konstrukten infrage stellen, stellen eine Bedrohung für das traditionelle, herkömmliche Weltbild dar, an dem manche Menschen festhalten.
Erst in den letzten Jahren konnten einige Fortschritte errungen werden, was dem unermüdlichen Einsatz einiger Aktivist*innen, erkämpften Gerichtsurteilen und auch der Solidarität und Unterstützung durch schwule und lesbischen Verbündete zu verdanken ist. Einiges wurde erreicht, und besonders für Menschen mit marginalisierten Sexualitäten ist es heutzutage hier sicherer als je zuvor. Leider haben es immernoch besonders diejenigen schwer, dessen Geschlecht (und wie es ausgedrückt wird) nicht in die traditionellen Normen hereinpasst. Auch trotz des gesetzlich anerkannten „dritten Geschlechts“ erfahren trans und inter Menschen täglich unzählige Formen von Diskriminierung, und oft genug wird weggesehen.
Noch immer werden jährlich über 2000 inter* Kleinkinder an den Genitalien zur Anpassung an bestehende Geschlechternormen operiert. trans Menschen gelten in der deutschen Rechtspraxis immer noch als psychisch gestört. Ja, die WHO hat zwar Trans* aus der Liste der Geisteskrankheiten gestrichen, doch noch gilt die alte Version des Krankheiten-Kataloges. Und für die neue Kategorie, in der Trans* dann stehen wird und die für Trans* sogar extra geschaffen worden ist, haben sich schon mal vorsorglich die deutschen Psycholog*innen und Sexolog*innen zuständig erklärt. Also genau die Verbände, die jahrzehntelang an der Psychopathologisierung von trans Menschen beteiligt und auch für diese verantwortlich waren.
Gerade wegen dieser sich häufenden Vernachlässigung von vielen Seiten und dem „Wegsehen“ liegt es uns besonders am Herzen, eine unabhängige Initiative zur Selbsthilfe für uns trans und inter Menschen zu nähren und zu verbreiten. Wir kämpfen miteinander dafür, dass gesellschaftlicher Fortschritt stattfindet und es nicht wieder Rückwärts geht. Alle profitieren davon, wenn Geschlecht neu gedacht wird: nicht nur trans und inter*, auch homo, bi und sogar hetero und cis Menschen.
Gerade in den LGBTIQ* Communities und in den trans Communities ist noch viel zu tun. Es gilt, Solidarität zu leben und sich für alle Formen von Diskriminierung zu Sensibilisieren – nicht nur denen, die eine*n selbst betreffen. Für diese Lernprozesse soll die Trans Pride Platz bieten: Jedes Jahr hier in Köln.
Für uns ist Pride mehr als eine Party. Wir wollen trans und inter* Menschen zusammenbringen, zusammen feiern, und uns vor allem empowern. Wir wollen gemeinsam eine Welt schaffen, in der trans Menschen nicht nur sichtbar, sondern auch selbstbestimmt leben. Macht ihr mit?
Wir fordern:
- Einen selbstbestimmten dritten Geschlechtseintrag ohne weitere Hürden
- Die Abschaffung des TSG (Transsexuellengesetz)
- Das Konsequente Verbot nicht-notwendiger Operationen zur „Normalisierung“ an inter*Kindern vor Einwilligungsfähigkeit
- Mehr geschlechtsneutrale Toiletten in öffentlichen Räumen
- Aufklärung in allen Schulen, die geschlechtliche Vielfalt mit einschließt (und natürlich auch verschiedene sexuelle Orientierungen)
- Uneingeschränkte Kostenübernahme von geschlechtsangleichenden Maßnahmen, unabhängig davon, wie „typisch“ oder binär die eigene, individuelle Transition ist
- Die Aufnahme der Geschlechtsidentität ins Antidiskriminierungsgesetz
- Anerkennung der Elternschaft unabhängig des bei der Geburt eingetragenen Geschlechts
- Bundesweite Anerkennung von trans* bzw. LSBTI-Geflüchteten als besonders schutzbedürftige Gruppe
- Unterstützung von Beratungsstellen, Ressourcen für Unterkünfte für trans Jugendliche
- Förderung von Angeboten für trans Menschen (z.B. Schwimmen)
- Das Freibleiben des Geschlechtseintrages bei neugeborenen Kindern